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Ende Januar 2014 verleibte sich die Deutsche Annington GAGFAH ein
(24. Mai 2020)

In den Blogs zur Geschichte der Vonovia fehlte bisher die Geschichte des dritten großen Einkaufs des Finanzinvestors Deutschen Annington von privatisierten Mietwohnungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Im Jahr 2000 hatte die Deutsche Annington die Eisenbahnerwohnungen der deutschen Bundesrepublik gekauft. Ihr zweiter großer Einkauf war der der Viterra-Wohnungen der deutschen Montanindustrie im Jahr 2006. Der dritte Großeinkauf war der der GAGFAH. Diese Bestände hatten noch bis zum Ende des Dritten Reichs der BfA, der Bundesanstalt für Angestellte, gehört und der Besicherung der Renten von Angestellten gedient, so die offizielle Lesart. Als der Immobilienökonom Stefan Kofner 2009 der Wohnungspolitik der Gagfah eine eigene Untersuchung widmete, war sie längst zu einem US-amerikanischen Finanzvehikel mit dem Namen Fortress mutiert, das der internationalen Kredit- und Hypothekenkrise auswich und sich deswegen als deutsches, am Finanzmarkt orientiertes Wohnungsunternehmen verkleidete. Das Unternehmen drückte die Betriebskosten, der Leerstand wurde von 6,4 Prozent im Jahr 2005 auf 4,5 Prozent im Jahr 2008 gesenkt. Die Verwaltungskosten sanken von 555 Euro pro Wohneinheit 2005 auf 400 Euro im Jahr 2008 und die Mieteinnahmen konnten im Jahr 2008 um 2,0 Prozent gesteigert werden. Allerdings war es jetzt nicht mehr so richtig möglich, die Rendite von Unternehmensübernahmen durch einen hohen Fremdkapitalanteil an der Finanzierung hinaufzuhebeln. Für Börsengänge oder den Verkauf größerer Aktienpakete waren damals schlechte Zeiten. Der Beteiligungsbranche blieb kaum etwas anderes übrig, als das Unternehmensportfolio wetterfest zu machen, meinte Stefan Kofner. Und das geschah auch, indem 2006 die GAGFAH zu einer Gagfah Group S.A, einer nach luxemburgischen Recht konstruierten Aktiengesellschaft wurde, die den scharfen Rationalisierungskurs weiter führte, aber schließlich 2015 doch ihren Verkauf an die Deutsche Annington organisierte. Mit einem Bestand von 144.452 Wohnungen ist Gagfah eine der größten börsennotierten Wohnungsgesellschaften in Deutschland geworden, 93,42 Prozent der Aktien gehören Vonovia.

Grill

Foto: Sebastian Müller

2006 wurde auch das Wohnungsunternehmen der Stadt Dresden, die WOBA, mit ihren ca. 48.000 Wohnungen und ca. 1.320 Gewerbeeinheiten privatisiert und an den Finanzinvestor Fortress verkauft. Das war nicht unspektakulär, denn bis dahin hatte noch keine deutsche Stadt einen derart großen Wohnungsbestand an Finanzinvestoren verkauft und die Entscheidung des Rates fiel mit einer Mehrheit, die bis in die PDS hinein reichte. Die Mehrheit war vermutlich von der Sozialcharta beeindruckt, die Dresden Fortress abringen konnte. Das entscheidende Argument war, dass die Stadt sich durch diesen Verkauf völlig von allen Schulden befreien könnte. Der Schuldenberg Dresdens war in der Tat drückend. Die jährliche Zinsbelastung hatte 42 Millionen Euro betragen. Die Kernpunkte der Sozialcharta waren, dass Dresden sich ein städtisches Belegungsrecht für 8.000 der 48.000 Wohnungen für eine Laufzeit von 20 Jahren zusichern lassen konnte, außerdem Beschränkungen bei der Mieterhöhung und eine lebenslanges Wohnrecht für bestimmte Gruppen von Mietern und Mieterinnen. Auch musste die Gagfah sich verpflichten, bei Weiterverkäufen die Sozialcharta auf die Käufer zu übertragen. Als Gagfah 2012 die WOBA-Wohnungen an die Vonovia verkaufte, kam es zu einem Prozess, weil Vonovia die Sozialcharta nicht ohne Abstriche akzeptieren mochte. Man einigte sich auf einen Vergleich. Die Stadt bekam 37 Millionen Euro, die Belegungsbindung wurde auf 10.000 Wohnungen erweitert und bis 2035 verlängert, die Instandsetzungsverpflichtung wurde von 5 auf 7,65 Euro pro Quadratmeter erhöht. Das war alles recht beachtlich.

Wahrscheinlich deshalb und weil der internationale Beteiligungsmarkt sich international umstrukturierte, hat Fortress 2014 die letzten GAGFAH-S.A.-Aktien verkauft und ist nach 10 Jahren aus der deutschen Wohnungswirtschaft ausgestiegen. Gagfah Aktien werden aber nach wie vor von den großen Kapitalsammlern des westlichen Finanzwelt, von Blackrock, Massachusetts Financial, Deutsche Bank, AXA Versicherungen und BNP Paribas Investment Partners gehalten.

Nun ist das alles aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr besonders spannend. Es ist ein abgeschlossenes Kaptitel der Vonovia Geschichte, über das ich in den Kommentaren meiner Homepage am 1. Juni 2019 auch schon berichtet habe. Vonovias Versuchslabor in Deutschland, was Vonovia Mieterinnen und Mietern zumuten wollte, war eben Hamburg geworden und machte es zu einem regionalen Schwerpunkt der Auseinandersetzung der Mieter und Mieterinnen mit der Kapitalmarkt orientierten Wohnungswirtschaft in Deutschland. Ein großer Anteil der heutigen Vonovia-Wohnungen waren früher Gagfah-Wohnungen. Der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, Siegmund Chychla sagte 2018 deutlich: "Wir stellen zusehends eine Erosion des rechtsstatlichen Verhaltens vieler Vermieter fest. Besorgniserregend ist das auch deshalb, weil es sich bei der Wohnraummiete um ein Dauerschuldverhältnis handelt, dem eigentlich ein partnerschaftliches Miteinander zugrunde liegt." Ermutigt durch den Vorsitzenden entwickelte der Mieterverein einen Zusammenschluss der Mieterinnen und Mieter, die gemeinsam Vonovia die Stirn bieten wollten, wie sie es nannten. Damit sind sie durchaus erfolgreich. Seit dieser Zeit gibt es in Hamburg eine große Zahl von mutigen Prozessen der Mieter gegen Vonovia, die bis heute anhält. Und Vonovia verliert Prozesse, die sie anzettelt. Alles, was Vonovia vor Gericht angeboten habe, meinten gerade Hamburger Richter zur Begründung eines Urteils zu unberechtigten Betriebskosten. Anningtons Position im Prozess stelle "eher eine Ablehnung des Rechts auf Belegeinsicht durch die Mieter dar, als ein Entgegenkommen." Es sei doch einhellig anerkannt, musste sich Vonovia belehren lassen, "dass ein Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter im Original sämtliche Rechnungen und sonstige Belege in geordneter Zusammenstellung nach Modernisierungsmaßnahmen sortiert zu präsentieren". Weiter so, möchte man den Richtern zurufen.