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2006: Mietervereine im Ruhrgebiet schufen Vonovia Aktionsbündnis und mehr
(2. April 2020)

Für Helmut Lierhaus

Die Privatisierung von Miet- und Werkswohnungen in Deutschland durch internationales Finanzkapital mit ihren neoliberalen Verbriefungsmechanismen erreichte ihren ersten Höhepunkt mit Kauf der Werkswohnungen der Kohle- und Stahlindustrie 2006 des Ruhrgebiets durch die Fonds von Guy Hands. Mit Milliardenbeträgen kauften auch andere und auch kleinere internationale Finanzmarktfonds zwischen 2003 und 2006 Wohnungen. Etwa in Dortmund wurden 45.000 Wohnungen in Dortmund-Eving,Dortmund-Westerfilde, Dortmund-Huckarde und den anderen Arbeiterbezirken Dortmunds Werkswohnungen privatisiert. Unter diesen Wohnungen waren nur 8.000 Wohnungen der Deutsche Annington, also Vonovias. Die Mietervereine im Ruhrgebiet wurden von ihren Mitgliedern mit einer Fülle von Klagen über die Mängel in den Werkswohnungen geradezu überschüttet. Ihre Mieter und Mieterinnen klagten über bauliche Mängel an den Wohnungen, den Türen und Türschlössen, den nicht oder schlecht schließenden Fenstern, den Dachrinnen oder Kellern. Sie klagte aber auch über fehlerhafte bis mangelhafte Betriebskostenabrechnungen. "Notfalls enteignen", forderte der WAZ-Redakteur Gerald Nill angesichts der Vernachlässigungen, die er 2010 in Dortmund-Westerfilde zu sehen bekam. Und er schrieb außerdem: "Das Wohnungsamt versucht, die Gesellschaften nach Kräften unter Druck zu setzen. Allein, die Kommune ist fast machtlos den ausländischen Fonds gegenüber und mit der Reparatur der Fehlentwicklungen überfordert. Da hilft nur eines: Wenn eine 87-jährige Frau in ihrer kalten Wohnung über Wochen keinen Ansprechpartner bei den Gesellschaften findet, muss über Zwangsenteignung und Treuhandgesellschaften nachgedacht werden. Der Gesetzgeber ist am Zug". Der Gesetzgeber ließ sich aber auf eine politische Lösung nicht ein. Er tut es bis heute nicht. Es fehlten damals und bis heute für die politische Zähmung der Private Equity Wohnungswirtschaft die erforderlichen politischen Mehrheiten.

Die Mietervereine in Bochum, Dortmund, Essen und Witten sahen zu Recht größere Probleme durch die Finanzmarktorientierung der neuen Vermieter heraufziehen. Denn die neuen Vermieter vernachlässigten offensichtlich ihre Bestände nach Strich und Faden. Schon 2004 hatte Viterra damit begonnen gehabt, 27.000 ihrer Wohnungen in ein Unternehmenskonstrukt mit dem Namen "Mira" zu verpacken, um angebliche Schrottimmobilien auszugliedern, die aus der Sicht des Konzerns Viterra besser abgerissen als weiter wirtschaftlich aufgewertet werden sollte. Bis zum Verkauf der Viterra war man freilich mit dem Outsorcing nicht fertig geworden. Also verkaufte "Mira" mit an die Fonds von Guy Hands. Nicht nur die Mira-Wohnungen waren in keinem blendenden Zustand, auch viele andere ehemalige Werkswohnungen der Kohle-und Stahlindustrie waren nicht besonders gepflegt und nicht in einem modernen Erhaltungszustand.Die Mietervereine sahen keine Chance, dass der Gesetzgeber, nach dem Gerald Nill gerufen hatte, zu Zwangsenteignungen der Private Equity-Branche greifen würde. Sie suchten eine Plattform in ihrem Landesverband, dem Deutschen Mieterbund NRW. Dieser gründete auf die Initiative von Helmut Lierhaus vom Mieterverein Dortmund hin 2006 den Arbeitskreis "Große Wohnungsunternehmen", um mit ihm überhaupt erst einmal gesellschaftliche Mehrheiten für ihre Kritik an den Vernachlässigungsstrategien der Private Equity Wohnungswirtschaft zu finden. Der Arbeitskreis des nordrhein-westfälischen Landesverbands verwandelte sich mit der Zeit, als sichtbar wurde, dass die Deutsche Annington und spätere Vonovia überall in Deutschland Wohnimmobilien erworben hatten. Mängel in der Instandhaltung oder der Abrechnungspraxis für Nebenkosten der Miete zeigten sich Deutschland weit. Der DMB NRW willigte darin ein, eine halbe hauptamtliche Stelle für die Betreuung und Beratung von Initiativen ihrer Mitgliedsvereine zur Auseinandersetzung mit der Private Equity Branche der Immobilienwirtschaft einzurichten. Es wurde mit der Zeit üblich, sich wenigstens einmal im Jahr in einem größeren Kreis als nur mit den NRW-Vereinen treffen und darüber zu beraten. Der aus dem DMB zunächst ausgetretene Mieterverein Dortmund trat dem DMB wieder bei und alsbald begann sich der gesamte DMB für ein besonderes Augenmerk auf Private Equity Branche zu interessieren. Es entstand eine Mailingliste eines Vonovia Aktionsbündnises: vonovia-aktionsbuendnis@listen.jpberlin.de. Sie besteht, arbeitet und erweitert sich bis heute.

Vonovia bzw. Deutsche Annington entwickelte sich freilich weiter als ein privatwirtschaftliches, dem internationalen Finanzmarkt verpflichtetes Wohnungsunternehmen. Guy Hands gelang es, Refinanzierungsprobleme für seine Private Equity-Partner bei Terra Firma, die auslaufende GRAND-Verbriefung, zu überwinden und konnte das Kapital seiner deutschen Wohnungsmarkt Fonds zunächst als Aktiengesellschaft nach luxemburgischen Recht registrieren und dann im SDAX und im MDAX listen lassen, bis das Kapital von Terra Firma schließlich 2015 nach einer Reihe von Verschiebungen des Börsengangs in den DAX aufgenommen wurde. Guy Hands blieb das, was er war, ein erfolgreicher Anlagenberater, Börsenspekulant und Besitzer der Private Equity Gesellschaft Terra Firma. Sein Privatvermögen wird heute auf eine halbe Milliarde Dollar beziffert.

Die gesellschaftlichen Risiken der Private Equity Finanzierung der Wohnungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu dokumentieren gelang einer Enquetekommission "Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue in Finanzinvestoren in NRW", die am 10. November 2010 mit den Stimmen aller im Landtag NRW vertretenen Parteien beschlossen wurde. Sie kam auf Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zustande. Der Problemdruck war offensichtlich hoch und weit verbreitet. Die Kommission konnte 2013 ihren umfangreichen Bericht über die REPE-Problematik, die in NRW aktiven Gesellschaften, die Geschäftsmodelle der Private Equity-Branche im Wohnungssektor, die Wohnungsnöte, die die Privatisierung ehemaliger Werkswohnungen verursacht hatte zur Sprache bringen. Sie diskutierte auch Instrumente der Eindämmung der wohnungswirtschaftlichen diskutieren. Es war dieser 350 Seiten lange Bericht, der Real Estate Privat Equity im Wohnungssektor in die politische Diskussion brachte. Aber schon die Abstimmung über den Abschlussbericht der Enquetekommission, die mit Zustimmung der Landtagsmehrheit von SPD und von Bündnis 90/Die Grünen, aber mit Ablehnung der CDU endete, zeigte, dass es mit einer Eindämmung der Finanzmarkt bestimmten Wohnungsökonomie und -politik in Nordrhein-Westfalen nicht weit her war. Der Hebel oder die Hebel, dass dies sich einmal ändern könnte, ist bisher nicht gefunden worden.