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Fakultät Raumplanung der TU-Dortmund 50 Jahre alt
(12. Februar 2018)

Über ihren Studiengang diskutierte diese Fakultät immer. Am 6. Februar 2018 tat sie es in einer Podiumsdiskussion "50 Jahre Raumplanung", zu der Prof. Dr. Wiechmann in den Chaudoire-Pavillon eingeladen hatte. Auf dem Podium Fakultätsmitglieder aus der Gründungszeit der Fakultät: Die Professoren Hans Blotevogel, Klaus Kunzmann, Rolf-Dieter Postlep, Paul Velsinger und Professorin Ingrid Krau und Dr. Sebastian Müller.

Podium

V.l.n.r.: Prof. Dr. Postlep, Prof. Dr. Blotevogel, Dr. Müller, Prof. Dr. Kunstmann, Prof. Dr. Krau, Prof. Dr. Velsinger

Ich hatte die Aufgabe zugeteilt bekommen, über die Entstehungsgeschichte des Projektstudiums zu sprechen. Wilhelm Schraeder brachte nach meiner Erinnerung die Idee des Projektstudiums 1969 aus Berlin mit. Unter dem Schlachtruf: "Unter den Talaren Muff aus tausend Jahren" hatten Assistenten und Studenten der Fakultät für Architektur und Städtebau an der TU Berlin und der TU Stuttgart die Lehre aufgemischt. Es war die Zeit der weltweiten Jugendrevolte von 1967 und 68, und die Studierenden organisierten dort ihr Studium spontan nach politischem Gusto, selbständig und oft gegen ihre Professoren. Dieses Studium nannten sie Projektstudium. Es untersuchte und modellierte die gesellschaftlichen und sozialen Dimension von Architektur und Stadtplanung. Das war damals absolut unüblich und rebellisch. Die aus Berlin als Assistenten nach Dortmund gekommenen Wilhelm Schraeder und Ekkehard Brunn und die aus Stuttgart gekommenen Rainer Ernst und Wolf Pannitschka bildeten den Kern einer Gruppe von Assistenten, die die Fakultät für das Projektstudium, eine antiautoritäre Form des "forschenden Lernens", gewinnen konnten. Das funktionierte nicht als Umsturz wie in Berlin oder Stuttgart. Das Projektstudium gelang ordentlich dosiert und organisiert als Studienreform, und seitdem gibt es in der Dortmunder Planerausbildung - und bis heute im Kern unbestritten - ein "Anfängerprojekt" und ein "Fortgeschrittenenprojekt", die jeweils zwei ganze Nachmittage in der Woche belegen und einen großen Betreuungsaufwand nach sich ziehen.

Das Projektstudium ist so in Dortmund keine Utopie geblieben, sondern es ist eine handfeste Institution des Lehrens und Lernens in der 8-semestrigen Hochschulausbildung zum Raumplaner oder zur Rauplanerin geworden. Es organisiert für jede Projektgruppe und ihre BetreuerInnen (meist aus dem Mittelbau) einen weitgehend selbstbestimmten Raum besonderer Arbeitskultur an planerischen Fragestellungen. Es ist ein Raum kooperativer Lern- und Produktionsprozesse, ein Raum des Teambuilding, der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit und der persönlichen Entwicklung aller Beteiligten geworden. Fragt man die Absolventen der Fakultät, dann haben Projekte wertvolle Qualifikationen für die berufliche Tätigkeit und Freundschaften begründet, die ein Leben lang halten und positivste Studienerinnerungen produziert, an die sich fast alle Studierenden gern erinnern.

Jeder der Podiumsteilnehmer hatte am Schluss der Diskussion die Gelegenheit zu einem Wunsch für die Zukunft der Fakultät. Ich habe mir gewünscht, dass sie sich deutlich politischer begreift, als sie es bisher tut. Mit politisch meine ich, dass sie in ihrer Produktion Anlässe genug hat, Gestaltungsperspektiven für die Zukunft des Raumes oder der Erde bewusst und öffentlich und mit der journalistischen Zunft gemeinsam und intensiver als bisher zu erarbeiten. Das sollte die Fakultät tun. Vielleicht im Zeitalter der Fake News auch nicht gerade das Wahre.

Für Wissenshungrige: historische Literatur

"Zum Projektstudium an der Abteilung Raumplanung der Universität Dortmund", in: (1977) Sanierung Wetter "Alte Freiheit", Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Bd. P/1, Dortmund 1977, VII-XII.

Nonnenmacher Wolfgang/ Schwörer, Ingrid (1982) Tätigkeitsfeld Raumplanung - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zum Werdegang der Dortmunder Absolventen, in Ahrens, P.P./ Brunn, E./ Estermann, W./ Nonnenmacher, W./ Schwoerer (Hg.) Studiengänge und Arbeitsplätze der Raumplaner, Institut für Raumplanung/ Abteilung Raumplanung/ Universität Dortmund.

Leschinski-Stechow, Karsten/ Seitz, Jasmin (2015) AbsolventInnenbefragung 2015. Dortmund: Technische Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung.

Huning, Sandra/ Schulz, Frank (2016) Das Projektstudium: Eine 'weltfremde' Utopie? Zwischen gesellschaftlichem Reformanspruch und wissensbasierter Berufsvorbereitung, in: suburban, zeitschrift für kritische stadtforschung, Band 4, Heft 2/3, Seiten 265-274/zeitschrift-suburban.de

Gribat, Nina/ Misselwitz, Philip/ Görlich, Matthias (2017) Vergessene Schulen. Architekturlehre zwischen Reform und Revolte um 1986, Leipzig, Spector Books.