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Deutsche Wohnungswirtschaft - Krise als Kommunikationskonzept
(11. Dezember 2015)

Wo steht der Protest gegen Wohnungsnot und Mietenschwindel heute? Was kann er zur Zeit leisten?

Wohnungsmangel, unverschämte Mieterhöhungen, Gentrifizierung oder Verwahrlosung von Wohnungen und Quartieren sorgen in deutschen Städten ständig für Ärger und Protest. Die Mobilisierung der Betroffenen gegen diesen Ärger - meist Mieter, das muss man einmal sagen - ist fast perspektivlos geworden. Zu individualisiert sind heutzutage Menschen in ihren schlechten Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt oder mit ihren - meist vergeblichen - Klagen über spekulatives Aufmotzen eines Quartiers durch Neu- oder Umbau des baulichen Rahmens oder - umgekehrt - über bauliche Vernachlässigung einer Nachbarschaft.

Solche Entwicklungen kommen für die Einzelnen als eine Art Schicksalsschlag daher. Wären da nicht der Deutsche Mieterbund und seine lokalen Mietervereine, sähe es für Betroffene und ihren berechtigten Ärger noch wesentlich schlechter aus. Nur selten gelang es in den letzten Jahren, Proteste über temporäre Protestaktionen hinaus zu heben, wie etwa im Schanzenviertel in Hamburg, wo an die Tradition der besetzten "Hafenstraße" anzuknüpfen war und sich der Widerstand gegen die Wohnungsmisere des Viertels mit den symbolträchtigeren Kämpfen um den Erhalt der "Rote Flora" in St. Pauli verbinden konnte. Schnell wechselnde thematische Netzwerke der auf ihren Individualismus stolzen Akteure und die Internetkommunikation forderten ihren Wegezoll. So gut wie vergessen ist schon wieder die durchaus spannende Publizistik der stadttheoretisch anregenden Jahre 2010 und 2011 um Gentrifizierung1) und ein Recht auf Stadt2) nicht nur der "kreativen Klasse", sondern auch der Rechtlosen und Armen. Es hätten sich außer dem Hamburger Beispiel auch Beispiele aus Berlin, Frankfurt, München oder dem Ruhrgebiet nennen lassen.

Ich halte wenig davon, mit einer ausgefeilten, tief gestaffelten wohnungspolitischen Strategie den Protest und die Stückwerkorganisation der Häuser-, Straßen- und Viertelinitiativen unterstützen, sammeln und verbreitern zu wollen, und ich werde das weiter unten begründen. Es ist gerade das Lokale, das dem Protest Stärke gibt, und es ist das Spontane daran, das den Quartierskämpfen überraschende Erfolge verschafft. Es spricht nichts dagegen, die Quartiersauseinandersetzungen zu vernetzen, damit man sich schneller und nachhaltiger als bisher im Notfall zur Hilfe kommt und sich gegenseitig und damit umfassender und besser berät.

Aber ich zweifle daran, dass aus dem Zusammenschluss der Vonovia-Initiativen - früher sagten wir Annington-Initiativen - in Deutschland die revolutionäre Kraft entstehen wird, die Ära und die Peinigungen von Mietern und Mieterinnen durch die finanzmarktorientierte Wohnungswirtschaft in Deutschland so schnell zu beenden, wie sie sich plötzlich seit der Jahre 2004 und folgende entwickelt hat. Seit einem Jahr legt sie Wert darauf, durch ein Mailing- und Postingsystem unter einander in Verbindung zu stehen. Muss ihr deswegen die schicksalsschwere Verantwortung für eine sozial orientierte Wohnungswirtschaftspolitik in Deutschland insgesamt aufs Auge gedrückt werden, eine Strategie, von der wir Intellektuellen träumen?

Ich sage bewusst träumen, denn aufgeklärt finde ich sie bisher nicht3). Ich finde sie auch politisch und organisatorisch nicht erfolgversprechend. Realpolitisch wird nicht mehr dabei herumkommen als der Aktivismus von Gruppen kritischer Aktionäre bei den börsennotierten Wohnungsunternehmen. Reicht das für eine wohnungspolitische Wende?

Debatte zur deutschen Wohnungspolitik in der Süddeutschen Zeitung. Wohngeld-Reform, Mietpreisbremse.

Gerade wird jedoch eine Krise der Wohnungsmärkte und die Zukunft der deutschen Wohnungswirtschaft wieder öffentlich diskutiert. "Wie wohnen? Woher den Platz nehmen? Wie ihn bezahlen? Das wird heute mit einer Dringlichkeit diskutiert, wie seit Jahren nicht", meint etwa Jörg Häntzschel am Beginn seiner wohnungspolitischen Seite im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 27. Oktober 20154), die auch vor den Begriffen nicht zurückschreckt, mit der linke Stadtforscher die Ursachen des Wohnungsmangels schon länger beschreiben: Ökonomisierung, Finanzialisierung, commodification, kurz eine Anlageform, "eine neue Währung der Welt, wie eine Immobilienfirma jubelt". Und Wohnungen "werden von Investmentfirmen gekauft und weiterverkauft und in Fonds gepackt, in die Kleinanleger investieren. Ihre Funktion als Lebensort zählt da immer weniger".

Ist das Aufnehmen des linken Diskurses nun schon Teil des Kommunikationskonzepts für neoliberale Interessen in der Wohnungswirtschaft geworden? Und was wird das bedeuten? Die Ansätze der Debatte könnten nicht kontroverser und verwirrender sein.

Der Bundesrat hat im September der Reform des Wohngeldrechts zugestimmt5). Das Gesetz erhöht ab Januar 2016 das Wohngeld für Haushalte mit geringem Einkommen und passt den Mietzuschuss an die Entwicklung der Einkommen und Wohnkosten in den vergangenen Jahren an. Letztmals gab es eine Erhöhung im Jahr 2009. Durch die Gesetzesnovelle soll das Wohngeld für einen Zwei-Personen-Haushalt auf durchschnittlich 186 Euro im Monat steigen. Insgesamt können mehr als 866.000 Haushalte von der Reform profitieren.

Beflügelt das heute, im Oktober 2015, die öffentliche Debatte um Wohnungsnot? Verringert es die Wohnungsnot? Ich glaube nicht daran. Verringert die angebliche "Mietpreisbremse" die Wohnungsnot oder macht das das Urteil des Bundesgerichtshofs, das die Süddeutsche Zeitung vom 5. November 2015 auf die erste Seite brachte6)?

Es handelt sich dabei eher um einen Wurmfortsatz der Mietendebatte, einen Fliegenschiss gewissermaßen. Es geht nämlich um eine jämmerliche Begrenzung der Verteuerungsmöglichkeit von Mieten innerhalb bestehender Mietverträge. Eine nicht ganz super bescheidene 20-prozentige Erhöhung innerhalb von drei Jahren ist - nach den Mietrechtsänderungen aus den Anfängen der Großen Koalition - immer und überall in Deutschland möglich gewesen und ist es noch.

Nun sollen nur noch höchstens 15 Prozent in Kommunen mit anerkanntem Wohnungsmangel erlaubt sein, und bei Neueinzug soll die Miete höchstens 10 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen. Legen Vermieter solche Rechnungen unaufgefordert den Mietern vor? Ich glaube nicht daran.

Ganze 239 Städte in Deutschland sind Städte mit anerkannt angespannten Wohnungsmärkten7). Ganze 22 sind es in NRW8). Berlin ist dabei und selbstverständlich auch Hamburg und München. Aber um eine solche Kommune zu sein, muss sie erst einmal in einem Bundesland liegen, das beantragt hat, eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen zu setzen. Das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben keine solchen Anträge gestellt, als lägen Hannover, Dresden, Greifswald, - also ihre Haupt- oder Universitätsstädte - auf einem anderen Stern ohne Mietnöte und ohne Hartz IV-Bezüge.

Dann braucht es für die Mietpreisbremse außerdem einen "qualifizierten Mietspiegel", was eine aufwändige, sündhaft teure, wissenschaftliche Untersuchung der lokalen Wohnungsmärkte und seiner Mieten zur Voraussetzung hat9), und in einen langwierigen Verhandlungspoker zwischen Kommunalverwaltungen, Vermieter-Organisationen und Mietervertretungen mündet. Dieses Wunderwerk deutscher Kompromiss- und Konsensdemokratie muss erst einmal zustande gekommen sein, dann können wir über die Prozente reden und mit ihnen rechnen.

Und trotzdem wird von manchen Vermietern geschummelt. Viele Mieterhöhungsverlangen sind unzureichend begründet, und trotzdem wird gefordert, was das Zeug hält. Denn irgendwelche Erhöhungen gehen immer durch. Ihnen wird zugestimmt, weil Mieter den Streit um des lieben Friedens willen vermeiden wollen, für die neuen deutschen Großvermieter mit Hunderttausenden von Wohnungen immer ein lohnendes Geschäft. Wo ehemalige Sozialwohnungen aus der Bindung gehen oder ein sozial orientierter Vermieter an einen ertragsorientierten Vermieter oder Spekulanten verkauft hat, sind große Mietsteigerungen zu erwarten. In diesem relativ kleinen Sektor des Mietenmarktes wird die neue "Mietpreisbremse" Wirkung zeigen. Damit hat es sich dann aber auch. Der Mieterhöhungsspielraum, den Vermieter von Wohnungen systematisch bei Neuvermietung einer Immobilie nutzen, und die Neubaumieten überhaupt, sind die zentralen Mietentreiber auf den deutschen Wohnungsmärkten. Sie gehen unvermeidlich auch in die Mietspiegel ein. Hilft nicht gegen die Wohnungsnot. Schauen wir näher hin.

Krise der Instandsetzung - aber ist die Bauverwaltung schuld? Wohnungsaufsichtsgesetz NRW

Großwohnanlagen und ihre Mieten sind eine ärgerliche Stadterbschaft. Bei ihrer Einweihung in den 60er und 70er Jahren galten Großwohnanlagen als Inbegriff der zeitgemäßen Wohnkultur und der Überwindung der Wohnungsnot. Fünf bis zwölf Stockwerke hoch, meist in Stadtrandlagen errichtet, von üppigen Freiflächen und Spielplätzen gerahmt, ließen per Tiefgaragen Autos von der Bildfläche verschwinden, mit denen sich Homo Modernus am liebsten fortzubewegen begann, wenn er nicht gerade durch das großzügig für den Autoverkehr dimensionierte Straßennetz der Stadtregion oder der Großwohnanlagen kurvte. So schienen Großwohnanlagen ein Revival der Gartenstädte zu sein und zugleich der Zukunft zugewandt. Doch heute sind sie in die Jahre gekommen, immer weniger Menschen wollen dort wohnen. Sobald die günstigen Zinssubventionen aus der Anfangszeit ausliefen und deswegen Mieten angehoben wurden, begann eine Art Emigration von Mietern und Mieterinnen anderswo hin, wenigstens im Ruhrgebiet und überhaupt in Westdeutschland. Die Krise der deutschen Wohnungswirtschaft wurde ausgerufen. Sie wurde zum Kommunikationskonzept der öffentlichen Wohnungswirtschaft zu Zeiten, als sie noch nicht durch ihre Privatisierung marginalisiert war. Staatliche Programme kamen zu Hilfe, Städtebauförderung und später, nach 1989, kamen die Programme Stadtumbau-Ost und später auch das Programm Stadtumbau-West. Sie versprachen Verbesserungen in der Wohnsubstanz, brachten aber auch hauptsächlich Abriss von Wohnungen, um so dem Leerstand und dem Verfall der Immobilien abzuhelfen. In vielen Fällen war das nicht die richtige Diagnose.

Seit der Jahrtausendwende sind nicht wenige Großwohnanlagen aus der mehr oder minder an Grundversorgung orientierten öffentlichen Wohnungswirtschaft in die Hände von Finanzinvestoren geraten, privatisiert, sagt man und meint damit verkauft, was sich schon bald als folgenschwerer Irrtum erweisen wird. Florian Pronold, früher Kritiker der Finanzmarktzulassung auf dem Wohnungsmarkt, hat den Irrtum des Mainstreams der deutschen Wohnungspolitik den Leserinnen und Lesern der Süddeutschen Zeitung gerade noch einmal geschildert: "Man war der Auffassung, dass Wohnungspolitik in einer schrumpfenden Gesellschaft kein Thema mehr ist. Man dachte, es gäbe kein Problem und der Markt würde es schon richten. Mit der Föderalismus-Reform 2006 hat der Bund außerdem fast alle Zuständigkeiten an die Länder verloren. Das war ein grundlegender Fehler."10)

Was er uns aber nicht erzählt, das ist, dass ein umfassender Verkauf von Großwohnanlagen an Finanzinvestoren schon seit ca. 2000 stattfand. In NRW waren es vor allem ein Ausverkauf hunderttausender Wohnungen aus Siedlungen, die Unternehmen im Bergbau, in der Energiewirtschaft und in der Eisen- und Stahlherstellung gehörten. Mit dem Verkauf der Siedlungen an internationale Finanzinvestoren blieben Modernisierungsinvestitionen in den meisten Fällen so gut wie aus und ein schleichender Verfall der Wohnungen setzte ein. Für den verwahrlosten Zustand, in den sie gerieten, mochten Mieterinnen und Mieter zu Recht nicht mehr zahlen und wohnen bleiben. Die Nachfrage versiegte und stellt sich bis heute auch nicht mehr wirklich ein.

Verwahrloste Immobilien sind aber nicht nur in Großwohnanlagen ein Problem geworden, sie verpesten gewissermaßen ganze städtische oder kleinstädtische Quartiere. Denn sie stecken die Umgebung an, wenn ökonomische Umstrukturierungen für einfache bis mittelständische Arbeitnehmerschichten die Grundlagen der Existenz für die Bewohner weggeschlagen haben und damit ihre Mietzahlungsfähigkeit sinkt. Mieten von 4 Euro bis 5 Euro pro Quadratmeter, wie sie in Schrumpfungsregionen üblich waren, finanzieren vielleicht heute noch die eine oder andere Instandhaltung, den Austausch von Schlössern oder Türen und eine neue Therme in der Etage, nicht aber eine grundlegende Modernisierung der Heizanlagen oder Aufzüge eines 12-Stöckers, geschweige denn den Profit für Finanzanleger, den börsennotierte Wohnungsunternehmen erwirtschaften wollen und müssen, wenn sie im Finanzmarkt Bestand haben wollen. Notwendige Modernisierungsinvestitionen bleiben aus oder werden auf unbestimmte Zeit verschoben. Leerstand setzt ein und der Verfall beginnt.

In der Dortmunder Nordstadt gibt es ein kleines Quartier mit verfallenden so genannten Problemhäusern, deren Wohnungen nächteweise und zimmerweise mehr oder weniger illegal von Wohnungslosen und Wanderarbeitern geentert wurden und werden, einer Lage, der man nicht Herr wurde, auch nicht wenn Gas und Wasser abgestellt und die Müllabfuhr abbestellt wurde. Im Gegenteil begann nun auch eine bestialische Vernachlässigung der inneren Substanz, nachdem die Vernachlässigung der Immobilien zuvor nur an den Fassaden und den leeren Fensterhöhlen abzulesen gewesen war. So etwas gibt es aber auch in Münster-Kinderhaus als Geschäftsmodell eines privaten Vermieters. Zum Ärger des Sozialen Zentrums im Quartier.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat schon 2009 eine Broschüre zum "Umgang mit verwahrlosten Immobilien in der kommunalen Praxis"11) aufgelegt. Sie war interessant, aber gegen Wohnungsnot geholfen hat sie nicht. Eingreifen können Kommunen in die Verwahrlosungs- und Vermüllungsspiralen auch dann nicht, wenn die Nachbarschaft, Bürgerinitiativen oder Kommunen die Verwahrlosung wahrnehmen. Nur bei akuter Gefahr durch herab fallende Bauteile, absturzbedrohte Balkone und Erker, baufällige Treppenhäuser, ungesicherte Aufzugsschächte und dergleichen dürfen Ämter aktiv werden und Sicherungsmaßnahmen ergreifen, Fenster oder Türen zumauern, falls Eigentümer von Schrottimmobilien das nicht selbst machen. Auch die kleine Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetz im Nachgang zur Enquete-Kommission des Landtag 2013/14 zu den Investorenwohnungen in NRW, mit der sich der Bauminister des Landes NRW Groscheck damals vor wagte, brachte nicht die erforderliche Hilfe. Das sage ich, auch wenn in NRW jetzt etwas über 200 Fälle von Interventionen nach dem neuen Gesetz dokumentiert worden sind. Aber was ist das schon bei einer Zahl von 17 638 098 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen12).

Für die Unfähigkeit zu intervenieren gibt es mindestens drei Gründe. Nach dieser Änderung ist es erstens der städtischen Wohnungsaufsicht zwar möglich, Instandsetzung anzuordnen, wenn für Wohnraum Mindestanforderungen an Sicherheit und Hygiene nicht erfüllt sind und Gesundheitsgefahren für die Bewohner drohen. Sind die Eigentümer nicht auffindbar - nicht nur im Todes- oder Erbfall der Eigentümer, sondern auch bei Finanzinvestoren mit ihren Scheinadressen in Steueroasen ständig der Fall -, dann bleiben die Städte auf den Kosten der Sicherungsmaßnahmen sitzen, was sie selbstverständlich vermeiden. Das mehr oder minder sozial und stadtplanerisch Erforderliche passiert nicht. Eine Änderung an der Schrottimmobilie ist damit noch lang nicht eingeleitet.

Zweitens ist nach wie vor die finanzmarktorientierte neue Wohnungswirtschaft mit ihren Beständen und ihrer Unwilligkeit, sinnvoll in den Bestand zu investieren und die Mieten dabei stabil unten zu halten, die zentrale Problemverursacherin. Die Zugriffsrechte von Bauordnungsämtern und Wohnungsämtern werden von den Profitinteressen der internationalen Finanzinvestoren aufgesogen, sie sind keine Lösung für sie zum Besseren.

Hinzu kommt drittens, dass in einer Vielzahl der NRW-Kommunen oder Kreise Wohnungsaufsichtsämter zu existieren schon lang aufgehört haben. Eine Großstadt wie Bochum im Ruhrgebiet und Sitz ehemals der Deutschen Annington, heute Vonovia, mit einem Bestand von 240 000 Wohnungen im Portfolio hat z.B. keine Wohnungsaufsicht mehr. Also interveniert sie auch nicht gegen Wohnungsschrott.

Es ist der Bund, der die Förderung loswerden wollte und will, z.B. indem er 2005 das alte Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auflöste und es jetzt in drei kleine Ministerien weiter führt, das Wohnen mit dem Bauen verkoppelt hat, sich aber auch noch um Reaktorsicherheit, Umwelt und Naturschutz kümmern muss. Wenn nun das Bundesbudget für Wohnen wegen der Flüchtlingsunterbringung um 500 Millionen für alle Länder zusammen aufgestockt wurde, dann ist das ein Hohn, weil damit nicht einmal der jährliche Rückgang der automatisch aus der Bindung fallenden Wohnungen kompensiert wird.

Aber nicht auf diese Ursachen zielt der Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der am Wochenende 2. Bis 4. Oktober 2015 erschien und die Verwahrlosung von Wohnungen und Wohnimmobilien geißelt13). Er scheint eher daran interessiert, die Wirkungslosigkeit politischer Interventionen auszubreiten und zugleich damit einen Interaktionsversuch aus der Zivilgesellschaft anzupreisen, weit weg in den Niederlanden, der keinen Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Verwahrlosung von Wohnungen und Häusern in Deutschland hat, überraschend kreativ wirkt, aber ganz einfach gelang: "Klushuizen", Bastelhäuser in Rotterdam. Herunter gekommene Häuser werden von der Kommune gekauft, unsaniert und billig an Käufer weitergereicht, die sich verpflichten, die Wohnungen "hochwertig" zu sanieren und daran anschließend für drei Jahre selbst zu bewohnen. War das nicht auch die Praxis der "Wächterhäuser" in Leipzig, die Lösung für die besetzten Häuser in Berlin, in der Hafenstraße in Hamburg und anderswo?

Was wollte die Süddeutsche Zeitung mit ihrem Artikel erreichen? Eine Desinformation organisieren?

Anmerkungen

1) Holm, Andrey (2010): Wir bleiben alle!: Gentrifizierung - städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung, Berlin 2010
Twickel, Christoph (2010): Gentrifizierungsdingsbums oder eine Stadt für alle
2) Holm, Andrey; Gebhardt, Dirk (Hrsg,) (2011): Initiativen für ein Recht auf Stadt, Hamburg
3) Kofner, Stefan; Unger, Knut (2015): Vonovia-Geschäftsmodell und -Geschäftsrisiken. Herausforderung für die Mieterorganisationen, Vortrag beim Annington-Vernetzungstreffen am 30.11.2015 in Fulda, Unveröffentlichtes Manuskript
4) Häntzschel, Jörg (2015): Währung Wohnung. Eine Konferenz und eine Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt ordnen die aktuelle Städtebau-Debatte, in Süddeutsche Zeitung Nr. 247, p. 12
5) Informationsdienst des Bundestages Wohnungspolitik, September 2015, p.1
6) Janisch, Wolfgang (2015): Miete darf um maximal 15 Prozent steigen, in SZ vom 5.ovember 2015, p. 1
7) Brunner, Katharina (2015): Wenn die Bremse versagt. In 239 Städten gilt jetzt die Mietpreisbremse. Eigentlich. Doch in den meisten Orten fehlt die Grundlage, Süddeutsche Zeitung, Zeitungsausschnitt ist leider ohne Angaben.
8) Ministerium für Bauen, Wohnen, Verkehr, Stadtentwicklung (2015): Mietpreisbremse wird in 22 Städten eingeführt, Presseerklärung vom 01.07.2015, www.mbswv.nrw.de, Zugriff am 26.11.2015
9) Mindestens 10 000 Euro kostet ein qualifizierter Mietspiegel für eine kleine Gemeinde, für Großstädte können die Kosten schnell sechsstellig sein, schreibt die o.g. Quelle. Die Daten können bis zu vier Jahre alt sein, bei den derzeit schnell steigenden Mieten auch nicht gerade super hilfreich.
10) Pronold, Florian (2015): So einen Quatsch muss man beseitigen. Weniger Regeln, niedrigere Standards, moderner Fertigbau, in: Süddeutsche Zeitung, Immobilien, 30.10.2015.
Pronolds Deregulierungsphantasien als Krisenlösungsmuster teile ich nicht wirklich.
11) BMVBS, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Hrsg. (2009): Leitfaden zum Einsatz von Rechtsinstrumenten beim Umgang mit verwahrlosten Immobilien (Schrottimmobilien), Forschungen Bd. 165, Bonn
12) www.destatis.de, Zugriff am 26.11.2015
13) Weber, Stefan (2015): Wegschauen hilft nicht. In Deutschland gibt es Tausende von verwahrlosten Immobilien, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 227 vom 2./3./4. Oktober, Beilage Mietmarkt