PlanungsPolitik-Forschung

Stadt + Gesellschaft verstehen + Planungspolitik gestalten

Kommentare

Sozialcharta - leeres Versprechen
(28. Juli 2013)

Als in den vergangenen Monaten die Landesbanken in Bayern und Baden-Württemberg insgesamt 53.000 Wohnungen an ein privates Konsortium unter Führung der Augsburger Patrizia AG verkauften, da wurde immer auch eine Sozialcharta verwiesen, die Bewohnern der Bestände stabile Mieten versprachen. In den Dokumenten sei ein umfassender Mieterschutz verankert, eine Begrenzung der Mieterhöhung etwa oder ein Verbot von Luxussanierung.

Doch scheint schon jetzt eingetreten zu sein, was viele Mieter bei den Verkäufen fürchteten und die Mietereine skeptisch beurteilten. Die neuen Eigentümer hielten sich durch die Sozialcharta anscheinend weniger sozial gebunden als vorgespielt. Selbst die Justiz hat die Dokumente als schwammig und die Beteuerungen von Patrizia als scheinheilig eingestuft. Konkret ging es vor dem Amtsgericht Stuttgart um einen Fall im Stuttgarter Nordbahnhofsviertel. Kaum hatten die neuen Eigentümer, die von Patrizia so genannte Süddeutsche Wohnen GmbH, die Wohnungen dort gekauft, forderten sie von vielen Mieterinnen und Mietern eine höhere Miete. Ein Mieter in der Lockbahnhofstraße sollte statt 426,65 Euro künftig 503,71 Euro zahlen. Es ging nicht um viel Geld, aber doch um ein Versprechen. In der Sozialcharta mit der Süddeutschen Wohnen ist festgehalten, dass Mieten, die unter den Vergleichmieten im Mietspiegel liegen, drei Prozent jährlich steigen können, zuzüglich der Inflationsrate. Allerdings: die drei Prozent gelten durchschnittlich über den gesamten erworbenen Wohnungsbestand. Im teuren Stuttgart darf also etwas stärker erhöht werden als sonst im Land, so lange insgesamt die drei Prozent eingehalten werden.

Überprüfbar ist der erzielbare Durchschnittswert für die Mieter nicht. Und es nutzt auch nichts, wenn die Sozialcharta aus dem Kaufvertrag, wie in Stuttgart geschehen, Teil des Mietvertrags geworden ist. Weil er eben derart im Unklaren über die Wirkungen seiner Mieterhöhung auf die gesamte durchschnittlich Miete im Bestand gelassen worden war, hatte sich der Mieter mit Hilfe des Mietervereins gegen die Erhöhung von 41,06 Euro gewehrt. Zurecht, wie das Amtsgericht nun geurteilt hat. Das Verlangen der Süddeutschen Wohnen auf Zahlung der höheren Miete wurde abgewiesen und zwar mit harschen Worten: Von "vollmundigen und im Grunde falschen Angaben" ist im Urteil die Rede. Das Unternehmen müsse ihrem Mieter durchaus mitteilen, "wie sich die Mieterhöhung für den Gesamtbestand der Wohnungen entwickelt haben", heißt es weiter. Die Süddeutsche Wohnen GmbH will sich mit der Niederlage nicht zufrieden geben. Man will in Berufung gehen, hieß es.

(Text weitgehend übernommen aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 25. Juli 2013)