PlanungsPolitik-Forschung

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Wir waren die kommunale Wohnungsaufsicht - wir werden es bleiben müssen
(Statement in der Veranstaltung der GRÜNEN im Landtag NRW am 8. März 2013)

Als in der Mieterbewegung engagierter Wissenschaftler und als Teilnehmer in der GRÜNEN Arbeitsgruppe für die Enquete-Kommission "Neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW" habe ich in den Beratungen der letzten eineinhalb Jahren machen Tag gehabt, an dem ich uns einen unendlich breiten politischen Handlungsrahmen für die Enquete-Kommission hätten wünschen und denken wollen, um ganz gerade aus das Recht auf eine anständige Wohnung auch gegen einen ungehemmten Immobilienmarkt und skrupellose Investoren durchzusetzen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Enquete-Kommission ankündigen dürfte, wir machen sofort Schluss mit den Daumenschrauben, mit denen Private Equity-Gesellschaften die Mieterschaften in Panik versetzen und die ökonomisch Gefährdeten bedrängen. Ich hätte ihnen gern die Botschaft überbracht: Wir bringen eure Wohnviertel wieder in Ordnung. Wir kaufen euch wieder raus, so bald wie nur möglich, aus den Fängen dieser Desinvestoren und Mietenpresser und bauen wieder ein Organisation der Wohnungsversorgung auf, die die Mechanismen von Wohnungsmarkt und Bodenrente aushebelt, wo es dauerhaft soziale Mieten für die gibt, die sie brauchen, und gemeinnützige Wohnversorgung Prinzip ist.

Aber dieser breite wohnungspolitische Handlungsraum exisiert de facto nicht. Er ist politisch illusionär und zu luftig. Die aktuelle neoliberale Grundstömung, der rechtsstaatliche Raum der Wohnungspolitik in NRW und in Deutschland und die politischen Mehrheiten, nicht nur in der Enquete Kommission "Neue Finanzinvestoren ..", sind nicht danach. Das sieht man schon daran, dass die CDU-Fraktion in der Enquete Kommission schlussendlich den Konsens in der Sache und so gut wie alle zuvor gemeinsam erarbeiteten bescheidenen Reformempfehlungen für das bestehende rechtsstaatliche und wohnungsgesetzliche Umfeld der Enquete aufgekündigt hat.

Wenn selbst eine banale Änderung einer Landesbauordnung nun bekriegt wird, die eine Erleichterung des Abrisses von vernachlässigten, schwerst-sicherheits- oder gesundheitsgefährdeter Investorenwohnungen ermöglichen, dann bin ich jetzt umso entschiedener dafür, eine solche Änderung gesetzlich durchzusetzen, um noch zu sichern, was wohnungspolitisch an eigentlich selbstverständlichen Standards unserer rechtsstaatlichen Ordnung gegenüber privatwirtschaftlichem Eigennutz und Profit noch zu sichern ist.

Mir erscheinen alle 18 der Enquete Kommission mehrheitlich beschlossene Handlungsempfehlungen brauchbar und nützlich, um den gegebenen rechtstaatlichen Raum für Private Equity Investoren stärker zu schließen. Aber vier davon halte ich für ein sofortiges Eingreifen in das Treiben der Private Equity-Investoren für besonders vordringlich:

Ich möchte aber grundsätzlich anmerken: Ich hielte es für falsch, wenn wir als unsere politischen Handlungsmöglichkeiten nur noch auf die Umsetzung der 18 von der Enquete Kommission mehrheitlich beschlossenen Handlungsempfehlungen einschränken würden. Ich finde es eine viel wesentlichere politische Handlungsmöglichkeit, den Bericht der Kommission als ganzen und vor allem die Texte vor dem Kapitel VII mit den sog. Handlungsempfehlungen sehr breit bekannt zu machen und wo immer möglich zu diskutieren.

Der Bericht stellt selbst einen Akt politischen Handelns dar, der offensichtlich wesentlich vom Recht aller auf eine anständige Wohnung und von der aktuellen Gefährdung dieses Rechts in Nordrhein-Westfalen durch Private Equity-Investoren bestimmt wurde. Die Enquete hat dies durch ihre pure Existenz bereits jetzt auf ein politisch wichtiges Niveau gehoben. Der Bericht wählt kluger Weise als Instrument seines Argumentierens die Präsentation von Tatsachen, auf die man sich über Fraktionsgrenzen hinweg hat verständigen können:

Dem Bericht gelingt es, annähernd Klarheit über den Umfang der Aufkäufe in NRW zu schaffen.

Der Bericht zeigt in großer Offenheit: Die Private Equity-Aufkäufe fielen nicht vom Himmel. Voraussetzungen wurden durch diverse Gesetzesänderungen auf der Bundesebene geschaffen, darunter die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Jahre 1989, das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz 1998 zur Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland oder das Steuersenkungsgesetz zur Unternehmensbesteuerung 2002, das die Veräußerungen von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften durch deutsche Kapitalgesellschaften steuerfrei stellte, was den Verkauf der Viterra durch E.ON an die Deutsche Annington oder den Verkauf der Werkswohnungen von Thyssen-Krupp an das Konsortium von Morgan Stanley/Corpus mit befeuerte.

Die Arbeitsweise finanz- und kapitalmarkt gesteuerter Wohnungsunternehmen in NRW wird in einer Ausführlichkeit und Detailgenauigkeit vorgeführt, wie das bisher noch nirgendwo geschehen war, und zwar sowohl auf der komplexen, finanzmarktorientierten Seite, die ihre Anfälligkeit gegenüber operativen und finanziellen Risiken gut zeigt, als auch auf der (untergeordneten) Seite der ebenso verschachtelten Bestandsbewirtschaftung, die Marktrisiken, Leistungsrisiken und Fianzstrukturrisiken mit einander verschneiden sollen, um die einen erheblich höheren Gewinn als bisher aus der Vermietung abzuschöpfen. Durch diesen betriebswirtschaftlichen Fokus transformieren der bisherige Mietwohnungsmarkt und die Wohnangebotslandschaft in ganz Deutschland zu einer Wohnungsökonomie, in der global floatierendes Finanzkapital nach Anlagemöglichkeiten sucht.

Das Fazit, das jede unvoreingenommene Leserin des Kommissionsberichts ziehen wird: Die mit den Geschäftsmodellen der Private Equity-Investoren verbundenen Risiken sind groß. Und die Probleme, die die Kommunen mit den Finanzinvestoren haben, ähneln stark denen, welche auch die Mietervereine und -initiativen äußern: Non-Kommunikaton wegen Erreichbarkeitsproblemen und Geheimniskrämerei, vernachlässigte Wohnungsbestände, Wohnumfelder und Bewohnerstrukturen, gezielte Belegung der Bestände mit Beziehern von Kosten der Unterkunft etc. Und last but not least: Private Equity produziert systematisch und in großem Umfang Problemimmobilien.

Die Leserinnen werden sich eine Feststellung von Hannah Ahrend aus ihrem 1967 veröffentlichten Essay "Wahrheit und Politik" zu eigen machen, in dem sie zur Überzeugungskraft von Tatsachen feststellt: "Das klarste und sicherste Zeichen von Fakten und Ereignissen ist eben dies hartnäckige Dasein, dessen inhärente Beliebigkeit letztlich allen Versuchen widersteht, sie erschöpfend zu erklären" oder zu widerlegen - füge ich hinzu. Fakten kann man lang leugnen, verdrehen, verdrängen, irgendwann aber nicht mehr. Das hartnäckige Dasein von Tatsachen noch fester zu machen, das ist immer schon die politische und fachliche Stärke der GRÜNEN gewesen. Ich würde mir wünschen, das das so bleibt.